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Äußerungsbefugnis des Bürgermeisters - "StugIdA"

Äußerungsbefugnis des Bürgermeisters - "StugIdA"

1. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Verein „Radikale Nationale“ (RN) meldet eine Versammlung unter dem Motto „Stunkstädter gegen die Islamisierung des Abendlandes“ an. Oberbürgermeisterin OB ruft auf der offiziellen Gemeindewebsite dazu auf, „für Demokratie und Vielfalt sowie gegen Ausgrenzung und Hass“ an der Gegendemonstration teilzunehmen. In Stunkstadt sei „kein Platz für das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments“.

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Einordnung des Falls

Äußerungsbefugnis des Bürgermeisters - "StugIdA"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die OB hat sich als Privatperson und nicht in amtlicher Funktion als Oberbürgermeisterin geäußert.

Nein!

Der amtliche Charakter der Äußerung erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerung. Ein starkes Indiz dafür ist die Inanspruchnahme amtlicher Ressourcen (Amtsblätter, gemeindliche Website oder Mail-Adresse, Nutzung von Amtsräumen oder Symbolen). OB veröffentlichte ihren Aufruf auf der offiziellen Gemeindewebsite. Anhaltspunkte für eine rein private Willensäußerung gibt es hingegen nicht. Ein Amtsträger kann sich nur auf Grundrechte, wie die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG), berufen, soweit er als Privatperson und nicht in amtlicher, also hoheitlicher, Funktion agiert. Denn ein Hoheitsträger kann nicht gleichzeitig Träger und Adressat eines Grundrechts sein („Konfusionsargument“).
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2. Für die Rechtmäßigkeit der Äußerungen öffentlicher Amtsträger hat die Rechtsprechung drei Voraussetzungen aufgestellt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rechtsprechung hat hierfür vier Voraussetzungen entwickelt: Es bedarf (1) einer Ermächtigungsgrundlage für die Äußerung. Darüber hinaus muss die Äußerung (2) sachlich, (3) neutral und (4) verhältnismäßig sein. Da diese Rechtsprechung nicht aus geschriebenen Normen abgeleitet werden kann, solltest Du Dir diese vier Voraussetzungen einprägen.

3. Müssen öffentliche Äußerungen, die in Grundrechte eingreifen, zwingend auf eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für öffentliche Äußerungen von Amtsträgern existiert nicht (vgl. aber § 40 Abs. 1 LFGB). Diese ist aber eigentlich nach dem Vorbehalt des Gesetzes erforderlich. Nach der Rechtsprechung genügt aber eine Aufgabenzuweisungsnorm, soweit der Hoheitsträger im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben handelt. Diese (vielfach kritisierte) Rechtsprechung darf nicht auf andere Konstellationen übertragen werden. Es ist ein schwerer Fehler, einen Grundrechtseingriff auf eine bloße Aufgabenzuweisungsnorm anstelle einer Befugnisnorm zu stützen!

4. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Äußerung der OB liegt vor.

Ja!

Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für amtliche Äußerungen von Bürgermeistern existiert nicht. Die Befugnis der Gemeinde, sich zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu positionieren, folgt nach der Rechtsprechung aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LV. (Ober)Bürgermeister sind als Vertreter der Gemeinde nach Außen (vgl. §§ 40 Abs. 2 S. 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 1 GO) jedenfalls auch befugt, sich im Rahmen ihres Aufgabenbereichs hierzu öffentlich zu äußern. Die Äußerungen von OB haben einen spezifisch örtlichen Bezug. Die Äußerung richtete sich an die Bürger von Stunkstadt. Anlass war eine in Stunkstadt stattfindende Versammlung. Auch das Motto der gegenständlichen Versammlung stellt einen ausdrücklichen Bezug zur Gemeinde her.

5. Ist die Äußerungsbefugnis der Bürgermeister unbeschränkt, solange sich die Äußerung auf örtliche Angelegenheiten bezieht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Amtsträger sind in amtlicher Funktion umfassend an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Äußerungsbefugnis wird mithin insbesondere durch die Anforderungen (1) des Neutralitätsgebots, (2) des Sachlichkeitsgebots und (3) des Verhältnismäßigkeitsgebots begrenzt.

6. Die Äußerungen der OB sind sachlich.

Ja, in der Tat!

Das Sachlichkeitsgebot erfordert, dass (1) Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden müssen und (2) Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen. Dabei sollte (3) der sachlich gebotene Rahmen nicht überschritten werden. Die Aufforderung der OB an die Bürgerinnen, friedlich an der rechtmäßigen Gegendemonstration teilzunehmen, ist sachlich. Ihr Tonfall gegenüber den Zielen und Inhalten der RN-Versammlung ist zwar erkennbar ablehnend, aber ohne Stigmatisierung oder Verachtung. Hier musst du den jeweiligen Sachverhalt sorgfältig auswerten. Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot dürfte jedenfalls bei besonders abwertenden und inhaltsleeren Äußerungen anzunehmen sein.

7. Die Äußerungen der OB sind am Neutralitätsgebot zu messen.

Nein!

Das Neutralitätsgebot verfolgt den Schutz der Chancengleichheit der politischen Parteien und der kommunalen Wählervereinigungen (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG). Die Norm ist nicht auf sonstige politische Gruppierungen anwendbar. Daher unterfallen sie nicht dem Schutz des Neutralitätsgebots. Bei den RN handelt es sich um keine politische Partei oder kommunale Wählervereinigung. Ausnahmsweise kann eine Neutralitätspflicht auch aus der versammlungsrechtlichen Zuständigkeit für die angemeldete Versammlung folgen. Versammlungsbehörde ist vorliegend aber die Kreispolizeibehörde und nicht die OB (

8. Die Äußerungen waren verhältnismäßig.

Genau, so ist das!

Die OB verfolgt mit dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck (vgl. nur Art. 18 S. 1, 21 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG). Der Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration und das Werben für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft fördert diesen Zweck und ist mithin geeignet. Die Äußerung ist auch erforderlich und angemessen. Denn Gewicht und Dringlichkeit der Äußerung überwiegt die Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der RN. Die OB ruft nicht zu rechtswidrigem Handeln auf und hindert die RN nicht daran, ihre Versammlung wie beabsichtigt durchzuführen. Vielmehr positioniert sie sich mit objektiv vertretbaren Erwägungen und inhaltlicher Kritik gegen die Versammlung. Der (Ober-)Bürgermeister hat als Vertreter der Gemeinde eine besondere Repräsentations- und Integrationsfunktion, die eine strikte politische Neutralität nicht zulässt. Mithin darf er Kräften, welche der gemeindlichen Integration und grundlegenden Verfassungswerten feindlich gegenüberstehen, auch offensiv gegenübertreten.
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Eine Besprechung von:
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